Sfakia - Home of the Revolution
Im Südosten des Regionalbezirkes Chania liegt die Gemeinde Sfakia (Σφακιά). Ein historisch "ungehorsames" Gebiet, ähnlich dem "kampferprobten" Gebiet Souli am Epirus oder der "wilden" Mani auf der Peloponnes. Die Sfakia ist auch heute noch rau und mancherorts unzugänglich. Die Bewohner sind aufrichtig, unbeugsam, stolz und unglaublich gastfreundlich.
Es begann bereits im Mittelalter. Als sarazenische Araber im Jahr 824 Kreta eroberten weigerten sich die Sfakianer sich zu unterwerfen. Sie lebten weiterhin in einer autonomen Gesellschaft und hatten eine eigene lokale Regierung.
Während der byzantinischen Herrschaft behielt Kaiser Nikiforos Phokas dies bei und gewährte sogar noch zusätzliche Privilegien, da sfakische Krieger ihn bei der Belagerung von Chandax (Chania) unterstützten.
Als später die Venezianer herrschten gab es zwischen 1207 und 1365 mehr als 13 Aufstände in der Region. Die Revolten endeten mit der Unterzeichnung eines Vertrags zwischen dem Herzog von Venedig und den Rebellen. Die Region Sfakia blieb außerhalb der direkten Kontrolle der Venezianer.
Einer der größten Aufstände gegen die Venezianer war die Chrysomalousa-Revolution im Jahre 1319. Nachdem ein venezianischer Offizier der Obrosgialos-Wache (heute Chora Sfakion) eine Angehörige der Familie Skorddilis tötete, kam es zum Angriff auf die venezianische Wache. Dies wiederum führte zu einem Feldzug gegen die Sfakianer der mehr als ein Jahr dauerte.
1470 kam es zum Krieg der Hühner, auch als "Ornithopolemos" bekannt. Die Venezianer verlangten von jeder kretischen Familie ein gut gefüttertes Huhn pro Monat. Eine schriftliche Beschwerde der Sfakianer wurde abgelehnt. Das Einsperren des Überbringers der Nachricht war Auslöser einer dreijährigen Revolution. Danach wurde die 'Hühnersteuer' dank des sfakischen Aufstandes auf ganz Kreta abgeschafft.
Während der Revolution von 1332 bis 1371 bauten die Venezianer die Burg Frangokastello. Tagsüber arbeiteten die venezianischen Soldaten an der Festung und nachts zerstörten die Sfakianer das, was tagsüber erbaut worden war. Erst als die Venezianer die Patsu-Brüder gefangen nahmen und hingerichtet hatten schafften sie es, den Bau fertigzustellen.
1669 begann die Osmanische Herrschaft, sie sollte bis 1898 andauern. Der in Anopolis geborene Ioannis Vlachos, besser bekannt als Daskalogiannis, war zu dieser Zeit der Anführer der Revolution gegen die türkischen Besatzer. Am 25. März 1770 wurde in Anopolis die revolutionäre Flagge gehisst. Russische Agenten, die im Auftrag von Katharina der Großen den Aufstand angezettelt und auch Unterstützung zugesagt hatten, unterließen dann aber jede Art der Hilfeleistung. Daskalogiannis und seine Männer gerieten in einen Hinterhalt und mussten sich schließlich ergeben.
Am 17. Juni 1771 wurden er und viele seiner Gefährten in Chania, damals noch Candia genannt, von den Türken auf bestialische Weise hingerichtet. Zahlreiche volkstümliche Erzählungen und Lieder haben das Andenken an Daskalogiannis wachgehalten und ihn unsterblich gemacht. Am bekanntesten ist eine Ballade des armen Senners Barba-Pantzelios von Mouri.
'To tragoudi tou Daskalogianni' aus dem Jahre 1786
…Φτάνουν στο Φραγκοκάστελο και στον πασά ποσώνου,
κι εκείνος δούδει τ' όρντινο κι ευτύς τσοι ξαρματώνου.
Ούλους τσοι ξαρματώσασι και τσοι μπισταγκωνίζου
και τότες δα το νιώσασι πως δεν ξαναγυρίζου.
... Sie kommen nach Frangokastello, sich zu ergeben,
Der Pascha befiehlt, sie sofort zu entwaffnen.
Sie legen die Waffen nieder voll dunkler Ahnung:
dass keiner von ihnen jemals kehrt nach Hause.
Obwohl die Sfakianer durch die gescheiterte Revolution von 1770 stark geschwächt waren, nahmen sie an der Revolution von 1821 wieder teil. In der Schlacht bei Frangokastello wurden am 17. Mai 1828 die meisten griechischen Revolutionäre getötet. Dann wandten sich die Türken gegen die Sfakianer. Der Hauptkampf fand im Tal von Korakas (Κόρακας), nahe dem heutigen Kato Rodakino (Κάτω Ροδάκινο), statt. Die Türken erlitten große Verluste und flohen schließlich. Die Sfakianer nahmen auch an den folgenden Revolutionen von 1841 und 1858 und 1866 teil.
Aradena - ein Bergdorf mit tragischer Geschichte
In den Bergdörfern von Sfakia sind viele Elemente der traditionellen Architektur, wie ein- oder zweistöckige Häuser mit kleinen Türen und Fenstern, sowie geschlossene Innenhöfe mit Brunnen oder Öfen erhalten geblieben. Interessant sind auch die sogenannten Mitata (μιτάτα). Das sind gewölbte Steingebäude, die für Hirten als Unterkunft und zur Käseherstellung verwendet wurden. Aradena ist eines dieser Bergdörfer und liegt auf etwa 520 m Seehöhe direkt am Rande der gleichnamigen Schlucht. In der Umgebung findet man, besonders bei Agios Ioannis, beeindruckende Kiefernwälder.
Im Altertum hieß das Dorf Aradin und auch Iradin. Es wurde von den Phöniziern gegründet, die in der Mittelmeerregion regen Handel betrieben. Der Name soll sich vom phönizischen "Arwad" (Schutz) ableiten, es gibt aber auch andere Meinungen zur Namensentstehung. Die Ruinen des antiken Aradin befinden sich in unmittelbarer Nähe des heutigen Dorfes.
183 v. Chr. ging Aradin mit 29 anderen kretischen Städten ein Bündnis mit dem König von Pergamon, Eumenes II. ein. Er trat in Griechenland als Wohltäter (Ευεργέτη) auf, um Anerkennung zu bekommen.
Das am Meer liegende Phoenix, die Bezeichnung scheint von der kretischen Palme (Phoenix theophrasti) abzustammen, war in der Antike der Hafen von Aradena und Anopolis. Lange vor Ankunft der Venezianer wurde dieser natürliche Hafen von den Sarakini-Piraten als Sklavenmarkt genutzt. An dieser Stelle steht das heutige Loutro (Λουτρό), dessen Name sich auf den "Badeplatz von Anopolis" bezieht und soviel wie Badezimmer bedeutet.
Aradin war bis Ende der zweiten byzantinischen Periode, also bis etwa 1204, dauerhaft bewohnt.
Auf den Ruinen einer aus dem 6. Jahrhundert stammenden frühchristlichen Basilika wurde im 14. Jahrhundert die bis heute gut erhaltene Kreuzkuppelkirche des Erzengels Michael (Εκκλησία Αρχάγγελος Μιχαήλ) erbaut. Die Fresken aus den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts stammen von Michael Veneri.
Bei den venezianischen Volkszählungen erscheinen keine Einträge über Aradin, aber in Listen von Francesco Barocci und Antonio Trivan tauchte um 1645 der Name Aradhena auf. Laut einer Volkszählung von 1834 lebten 36 christliche Familien im Dorf.
Während der Revolution von 1821 wurden Georgios Maniatis und Anagnostis Manousselis mit ihren Kameraden von der türkisch-ägyptischen Armee getötet. Schifffahrt und Handel florierten dank des Hafens in Phoenix bis zur gescheiterten Revolution von Daskalogiannis. Dann erlitt der Ort das gleiche Schicksal wie Anopolis. Er wurde 1770 und 1867 von den Türken komplett zerstört. Während der Revolution von 1866 mussten sich die Kreter wegen einer Kanonade türkischer Schiffe durch die Aradena-Schlucht zurückziehen. 1881 gehörte Aradena zu Agios Ioannis und hatte damals 124 Einwohner.
Die "Filotimo" (φιλότιμο), die Familienehre, ist Kretern angeboren und beinhaltet persönlichen Stolz, Würde, Mut, Pflicht und Opfer, auch wenn es das eigene Leben betrifft. Vor allem aber verlangt es Respekt und tiefe persönliche Freiheit.
„Ich bin ein Mensch, ein freies Individuum und egal, wer Du bist, egal wie mächtig oder wie niedrig, verlange ich ohne zu fragen Deinen Respekt.“
„Filotimo auf die griechische Art ist wie das Atmen. Ein griechisches Leben ist kein griechisches Leben ohne Filotimo. Ohne Filotimo ist es besser, nicht zu leben.“
Thales von Milet
1951 gab es als Folge einer der letzten großen Vendetten nur noch 36 Einwohner in Aradena. 1991 war das Dorf entvölkert. Mittlerweile sind wieder einige Häuser renoviert und bewohnt, 2011 gab es wieder 4 Einwohner.
Die Schlucht - von den Mavra Gremna nach Marmara
Die höchsten Erhebungen der Weißen Berge (Λευκά Όρη) sind von den Madares (Μαδάρες) umgeben. So die Bezeichnung einer spärlich bewachsenen Landschaft über der Baumgrenze, die eine bescheidene Weidewirtschaft ohne Zufütterung gerade noch zulässt. Am Südende fällt das Gebirge in den Mavra Gremna (Μαύρα Γκρεμνά), den schwarzen Klippen, steil ab und es bilden sich mehrere Schluchten. Die westlichste der drei Ursprungsschluchten, die im weiteren die Aradena Schlucht (Φαράγγι Αραδαίνας) bilden, ist ab der auf etwa 1150 m Seehöhe liegenden Drakolaki Höhle (Σπήλαιο Δρακολάκι) begehbar. [~ 35°15'15.9"N 24°03'05.5"E]
Richtung Südosten führt die Schlucht zwischen den Schwarzen Köpfen (Μαύρα κεφάλια) und den Holzköpfen (Ξύλινα κεφάλια) bergab bis zu dem Punkt, an dem die drei Grundschluchten endgültig vereint sind [35°14'46.5"N 24°03'58.0"E]. Man hat nun rund 2,5 km Strecke hinter sich und den Nordrand eines Plateaus auf etwa 700 m Seehöhe erreicht. Auf ihm liegen südöstlich die Dörfer Limnia (Λιμνιά) und Agios Dimitrios (Άγιος Δημήτριος). Nach weiteren 2,5 km führen von beiden Seiten gut erhaltene Saumpfade (καλντερίμι) auf den Schluchtgrund. Sie waren bis 1986 die einzige direkte Verbindung zwischen Anopolis und Aradena bzw. dem noch 5 km weiter westlich gelegenen Agios Ioannis.
Egal ob von der östlichen Straßenseite kommend oder vom Dorf Aradena im Westen der Schlucht absteigend - hier beginnt der bekannte und oft beschriebene Trail durch die Aradena Gorge. Bereits 400 m weiter befindet man sich unter der bekannten Brücke.
138 m über dem Schluchtbett führt die am 12. Dezember 1987 eröffnete Stahlträgerbrücke über die engste Stelle der Schlucht. Sie wurde von der wohlhabenden, in Agios Ioannis verwurzelten Familie Vardinogiannis gespendet. Weithin hörbar klappern die Fahrzeuge im Schritttempo über die einspurige, aus unbefestigten Holzbohlen bestehende Fahrbahn.
In der Brückenmitte gibt es eine Plattform für Bungee-Jumping, es ist die höchste in Griechenland, die zweithöchste in Europa.
Auch hier, im bekannteren, aber trotzdem nur spärlich besuchten Teil der Schlucht gelten die üblichen Regeln: Wanderschuhe, Sonnenschutz, ausreichend Wasser im Rucksack und Trittsicherheit. Achten sie auf Steinschlag, er wird häufig von Ziegen in den Steilwänden ausgelöst, aber auch durch Regen. Betreten sie keine Schlucht bei Schlechtwetter! Im Gegensatz zur Samaria-Schlucht gibt es hier weder Kontrollgänge noch "Rettungsdienst" per Esel, sie sind hier in Eigenverantwortung unterwegs.
Bald führt rechts ein Steig hoch, das ist die Umgehung der Schluchtsperre mit den alten Metallleitern. Achten sie beim Abstieg auf den Weg, gegen Ende besteht er teilweise aus losem Geröll. Im weiteren Verlauf können sie rechts nach Agios Ioannis und links in das Dorf Livaniana abzweigen. Zum Letzteren führt später nochmals ein Weg hoch.
Jetzt sind es nur noch knapp 2 km zum Strand von Marmara. Die Taverna Dialeskari bietet sich für eine Rast an und ab hier fahren Taxiboote nach Loutro und Chora Sfakion. Die Strecke von Aradena bis Marmara beträgt etwa 5,5 km und der Höhenunterschied liegt bei knapp 600 m.